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Stiftung
Medientest – Wirksames Instrument zur gesellschaftlichen
Selbststeuerung der Medienpolitik?Stiftung Medientest – Wirksames
Instrument zur gesellschaftlichen Selbststeuerung der Medienpolitik?
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Inhaltsverzeichnis
1. Strukturprobleme der Medienentwicklung
2. Ziele einer Stiftung Medien:
Medienkompetenz und
Selbstregulierung als Maßstab
3. Die Rolle der Stiftung für die
Medienbeobachtung und
Medienregulierung“
4. Aufgabenfelder und Bedarfsanalyse
5. Hat eine Stiftung Medientest Zukunft?
Der Versuch einer Bestandsaufnahme
6. Literaturverzeichnis
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Einleitung
Medienregulierung bewegt sich zwischen
staatlicher Kontrolle im Rundfunk und Formen der Selbstregulierung bei
den Printmedien sowie in Ansätzen bei den Multimediadiensten. Die
Analyse der einzelnen Regulierungssysteme in der ersten Teilarbeit
ergab als Fazit: Es müssen in Zukunft verstärkt
Mischmodelle installiert werden. Gerade bei der innovativen
Gestaltung der Medienlandschaft muss man verstärkt auf
Instrumente der Selbstkontrolle setzen, an denen sich alle
gesellschaftliche Gruppen beteiligen und nicht nur wie bisher alleine
die Anbieter.
Die politisch-rechtliche Steuerung ist
erforderlich, wo der Markt versagt bzw. ein öffentliches Angebot
politisch gewollt ist.
[1]
Bejaht man diese Ausgangsthese, dann
heißt die Leitfrage dieser
Arbeit: Kann eine Stiftung Medientest gesellschaftliche Gruppen
angemessen
an medienpolitischen Diskussionen beteiligen und einen dauerhaften,
pluralistischen
Kommunikationsprozess institutionell absichern?
Zum Vorgehen:
Im ersten Teil werden die Strukturprobleme der
Medienentwicklung skizziert.
Im zweiten Teil die Ziele einer Stiftung
Medientest aus dem Anspruch der Selbstregulierung und Medienkompetenz
abgeleitet. Der Stellenwert einer Stiftung Medientest im Rahmen des
Netzwerks bestehender Institutionen ist Gegenstand des dritten Teils
der Arbeit. Mögliche Aufgabenfelder und Bedarfe einer
Stiftung Medientest werden im vierten Teil der Arbeit diskutiert.
Abschließend soll auf der Grundlage der erarbeiteten Positionen
die Perspektiven einer solchen Stiftung eingeschätzt werden.
1. Strukturprobleme
der Medienentwicklung
Die deutsche Medienlandschaft unterliegt einem
immer rasanter verlaufenden technologischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Strukturwandel, der auch die überkommene
Medienpolitik und Medienkontrolle auf den
Prüfstand stellt. Durch die neuen Technologien werden die
Übergänge
von Printmedien, Rundfunkmedien, von Massen- und
Individualkommunikation
und Film fließend. Das hat Auswirkungen auf die Angebots- und
Nachfrageseite der Multimediamärkte und beeinflusst
gesellschaftliche und politische Kommunikationsprozesse ganz
unmittelbar.
Die wirtschaftlichen Verflechtungen auf der
Anbieterseite wirken sich
auf das Medienangebot aus. Neben die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkangebote traten seit den 80er Jahren vielfältige private
Angebote, die den
Übergang von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt einleiteten.
Im
Zuge der Internationalisierung von Medienprodukten und den
"Viel-Kanalbedingungen"
etablierte sich neben dem "Kulturgut - Publizistik" verstärkt das
Wirtschaftsgut, das sich aufgrund technischer ökonomischer
Veränderungen in einem rasanten Wandel vom Massenmedium zum
Spezial- und Zielgruppenmedium befindet.
[2]
Aus der Sicht der Nachfrager ist Fernsehen
oder der Umgang mit digitalen Medien Teil des Alltagshandelns geworden.
Die Menschen werden unmittelbar als Konsumenten bzw. Verbraucher
angesprochen, die anspruchsvolle Entscheidungen über die Auswahl
vielfältigster Multimediaangebote treffen müssen (z.B.
Fernsehangebot incl. Pay-TV; Online-Käufe oder
Online-Dienstleitungen). Fernsehen ist heute als individuelle
Tätigkeit eine Form des individuellen und nicht länger
Massenkonsums, der spezifische Informations-, Unterhaltungs-,
kulturelle oder politische Bedarfe befriedigen soll. Digitales
Fernsehen und Online-Dienste mit vielfältigsten Rezeptions-
und Interaktionsformen verlangen zudem immer mehr Kompetenzen von
ihren Nutzern.
Durch die zunehmende kommerzielle
Ausrichtung des entstehenden internationalen Mediensystems
bilden sich neue Informations- und Kommunikationsstrukturen
heraus. Bisher bestimmten Akteure aus dem
politisch-administrativen System, den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten, Vertreter der Verlags- und Werbewirtschaft sowie
Non-Profit-Organizations die medienpolitische Entwicklung. Im Zuge
der Privatisierung treten neue politische und kommerzielle
Einzelakteure und Verbände mit entsprechenden Lobbyressourcen
hinzu.
Die Konzentration und zunehmende internationale Verflechtung der
Medienangebote
führt zu einer entsprechenden Vermachtung der Märkte. Die
Entwicklung
geht vom öffentlich-rechtlichen Monopol zum
privat-rechtlichen Oligopol.
Die Entstehung neuer Medientypen und der
Strukturwandel haben vielfältige qualitative Folgen für die
gesellschaftliche Kommunikationspraxis
und Medienpolitik:
- Vormals geltende journalistische und
gesamtgesellschaftliche Normen verlieren an Bedeutung und die
Vermachtung der Medienpolitik nimmt zu. Da der Markt nicht ohne
weiteres gesellschaftlich notwendige Kommunikationsangebote
bereitstellt, muss der Interessenausgleich zwischen individuellen
Nutzungsinteressen und kollektiven Angebotsnotwendigkeiten aktiv
gestaltet werden
[3]
- Schon im ersten Teil der Arbeit wurde gezeigt,
dass der Privatrundfunk
mit den herkömmlichen Methoden der Medienaufsicht und Kontrolle
schwerlich zu beeinflussen ist: Die öffentliche rechtliche
Rundfunkkontrolle durch wenige Akteure aus Politik, Kirche und
Verbänden, die bestimmte gesellschaftliche Interessen vertreten,
greift auf privaten Märkten mit einer Angebotsvielfalt und
Zielgruppenorientierung nicht mehr. Der Staat kann die privaten Medien
nur insoweit kontrollieren als es um Außenpluralität geht. [4]
- Zugleich bezieht sich die politisch-rechtliche
Regulierung immer noch auf die Gesamtgesellschaft, die über
Interessenvertreter repräsentiert werden. Dagegen ist der
neue Medientypus weder mit gesellschaftlichen Organisationen
verbunden noch auf eine allgemeine Öffentlichkeit hin
orientiert. Vielmehr sucht er sich aufgrund ökonomischer Ziele
sein spezifisches Publikum.
[5] Aber auch die bestehenden
Formen der Selbstregulierung im Print- und
Medienbereich üben interne Kontrolle aus, beziehen aber
gesellschaftliche
Akteure nicht ein.
Entsprechend müssen Rezipienten, Publikum
oder Verbraucher als Nutzer mit ihren jeweils spezifischen Zielen und
Bedürfnissen aktiv in den Prozess
der Medienregulierung einbezogen werden, um einer Vermachtung der
Medienpolitik
aus demokratietheoretischen Überlegungen entgegenzuwirken. [6] Das ist umso entscheidender
als nur über eine medienkritische Öffentlichkeit
staatliche Intervention initiiert werden kann, die dann zu
Selbstregulierung oder gesetzlichen Regelungen führt. [7] Erforderlich sind also
Mischsysteme aus staatlicher Steuerung und Selbstregulierung. Es
bedarf eines bewusst gestalteten Übergangs von traditionellen
hierarchischer Machtausübung und Steuerung hin zu
horizontal angelegten Verhandlungssystemen mit zahlreichen
Akteuren und neuen Organisationen
[8]
2. Ziele einer Stiftung
Medien: Medienkompetenz und Selbstregulierung
als Maßstab
Mit den
vorangegangenen Überlegungen sind zugleich auch die Ziele einer
Stiftung Medientest skizziert: Sie muss innerhalb eines staatlich
gesetzten Rahmens Selbstregulierung und Selbstverantwortung
ermöglichen und dabei bestimmten Leitideen und
Steuerungskonzepte genügen, die nachfolgend dargestellt werden.
Sie
muss dazu beitragen, dass die Verbraucher über die audiovisuellen
Medien
und über ihre Angebote in der Informationsgesellschaft kompetent
entscheiden
können, sie muss also Medienkompetenz vermitteln.
Um die Übernahme von Selbstverantwortung
der beteiligten Akteure
individuell und korporativ dauerhaft durchzusetzen, muss ein
gesellschaftlich
akzeptierter Rahmen für eine „regulierte Selbstregulierung“
geschaffen
werden. Leitideen und Steuerungskonzepte der Selbstregulierung
müssen
in einer sich rasant wandelnden und vielfältigen Medienlandschaft
folgende
Ansprüche erfüllen:
[9]
- Es müssen interne und externe
Verhandlungssysteme im Sinne professionsinterner
Kommunikationsforen und externer Medienkritik etabliert werden, die
für neue Positionen – Themen, Foren, Akteure – offen sind.
- Möglichst viele gesellschaftliche Gruppen
müssen in die Diskussion integriert werden und damit muss
Öffentlichkeit hergestellt werden, die es bisher in der
Medienregulierung nicht gibt.
[10]
- Dafür müssen die Rezipienten oder
Verbraucher mit entsprechender Medienkompetenz ausgestattet werden.
- Politik kann eine Moderationsfunktion
übernehmen, sofern öffentliche Diskussionen über die
Mängel oder Defizite im Medienbereich geführt werden.
Die Ausstattung mit Medienkompetenz muss ein
zentrales Aufgabenfeld der Stiftung Medientest sein. Medienkompetenz
lässt sich ganz allgemein als die Fähigkeit, selbstbestimmt
mit Medien umzugehen, definieren.
[11] Sie ist
als ein komplexes Konzept zu verstehen, dass viele einzelne
Fähigkeiten umfasst: das Vermögen, sich unterschiedliche
Techniken zu beschaffen und nutzbar zu machen sowie Angebote und
Programme wohl informiert auszuwählen und zu beurteilen.
Dabei steht nicht in erster Linie die Beziehung des
Individuums zu einem bestimmten Gerät im Vordergrund.
Medienkompetenz
heißt immer auch die Verflechtung von Medien und Alltag und das
Zusammenspiel von Medien, Politik, Gesellschaft und Ökonomie
zu verstehen. Um ein Medium kompetent nutzen zu können und um
medienpolitische Entscheidungen beurteilen zu können, bedarf es
praktischen Wissens über die gesellschaftliche und
ökonomische Verfasstheit des Mediums. [12]
Medienkompetenz ist neben politischer
Kompetenz immer auch Verbraucherberatung und Verbraucherschutz. [13]
Verbraucherberatung im Umgang mit neuen Medien etwa beim Pay- TV,
Digitalboxes, Teleshopping, etc. ist notwendig, da Rechtsnormen und
Regressansprüche etc. für den Konsumenten nicht zwingend
transparent und verständlich sind. Verbraucherberatung kann
sich auch auf sachlich gerichtete Informationsangebote, die früher
Beratungssendungen im Fernsehen vermittelten, beziehen.
Verbraucherschutz ist ein weiteres wichtiges Feld. Die
Gewährleistung von Datenschutz ist eine zentrale Aufgabe, die sich
aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt. Sie
obliegt von Verfassung wegen dem Staat. Da es
aber keine handlungsstarke Lobby für die
Verbraucherinteressen gibt,
besteht immer die Gefahr, dass die Politik zu weitgehend auf
Interessen der Wirtschaft eingeht. Auch die Transparenz von
Preisen, Kosten und Garantieleistungen der Inanspruchnahme
verschiedener Telekommunikationsdienste könnte Gegenstand des
Verbraucherschutzes sein.
[14]
3. Die Rolle der Stiftung für die Medienbeobachtung
und – regulierung
Eine Stiftung Medientest muss sich als Teil
eines Netzwerkes von gesellschaftlichen Akteuren und Marktakteuren
verstehen, die in erster Linie auf Selbstregulierung von Multimedia
setzen.
Wie im ersten Teil der Arbeit gezeigt wurde [15]
etablierten sich in den letzten Jahren neue Formen der Selbstkontrolle
im Rundfunkbereich: Die „Freiwillige Selbstkontrolle des
Fernsehens“ (FSF) und die „Freiwillige Selbstkontrolle –
Multimedia – Diensteanbieter“ (FSM). Die FSF richtet sich mit dem
Anspruch des Jugendschutzes im Fernsehen explizit an einen Teil der
Öffentlichkeit. Über Tagungen, Projekte und
Informationsveranstaltungen soll der Diskurs über das
Fernsehangebot gefördert werden, allerdings bleiben die
Aktivitäten nur auf den Missbrauchsfall beschränkt. FSM will
einerseits die Rechte der Dienstanbieter steigern, andererseits
schutzwürdige Interessen der Nutzer achten. Noch kann nicht
klar gesagt werden, inwieweit die FSM nicht nur Anwalt der eigenen
Mitglieder, sondern auch der Allgemeinheit wird. Da die privaten
Interessen
der Diensteanbieter nicht zwingend übereinstimmen mit den
Interessen
gesellschaftlicher Gruppen, bleibt hier unabhängig vom Erfolg
der FSM Aktionsraum für eine Stiftung Medientest.
Verbraucherschutz und Verbraucherberatung werden sicher nicht zur
ersten Aufgabe der FSM.
Daher müsste eine Stiftung Medientest sowohl FSF wie auch FSM gut
ergänzen, wenn sie sich nicht nur auf den Missbrauchsfall
beschränkt, sondern auf vorausschauende Gestaltung und Bewertung
von Medienangeboten gerichtet ist und über Verbraucherschutz
und Verbraucherberatung die Anliegen der
Allgemeinheit weitergehend vertritt.
Zugleich ist zu berücksichtigen, dass
sich der medienpolitische Einfluss relevanter Interessengruppen von den
öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihren Non-profit-Organization
hin zu kommerziellen Einzelakteuren und Verbänden vollzogen
hat. Zum Teil geht die Politik Koalitionen mit
Medienunternehmen ein. Traditionelle Akteure verlieren an Macht
und
neue, wirtschaftlich potente Akteure bilden neue strategische
Allianzen mit der Politik. Hier kann eine Stiftung Medientest zu einer
gesellschaftlichen Kraft werden, die als Gegenwicht zu wirtschaftlichen
Interessen die Interessen des Publikums in der Medienpolitik wahrnehmen
und so Teile der Politik und Parteien zu ihren Verbündeten
macht. Bisher wurden die Interessen des Publikums mehr schlecht als
recht treuhänderisch durch Vertreter gesellschaftlich relevanter
Gruppen beim Rundfunk wahrgenommen. Da diese Kontrolle
in der neuen Medienlandschaft nur unzureichend greift, würde durch
eine
solche Stiftung als Plattform vielfältiger Verbraucherinteressen
eine
echte Lücke der Interessenvertretung schließen und
für
Markttransparenz sorgen. Das Publikum würde in seiner
Heterogenität mit Hilfe der Stiftung gegenüber
Lobbyisten, Verbänden strategiefähig. [16]
Zu den relevanten Akteuren gehört
außerdem die medienbezogene Wissenschaft. Derzeit fehlt es
hier an der Bereitschaft zur Förderung dauerhaft angelegter
Einrichtungen und interdisziplinär ausgerichteter
Grundlagenforschung.
[17] Der
Medienjournalismus und die Medienkritik sind häufig als eigene
Profession für das Publikum nicht erkennbar. Eine Stiftung
Medientest kann durch die Vernetzung mit Wissenschaft und Medienkritik
seine eigene Rolle
aufwerten und umgekehrt auch Wissenschaft und Medienjournalismus zu
mehr
Öffentlichkeit und Bedeutung verhelfen.
4. Die Aufgabenfelder und Bedarfsanalyse
Die grundlegende Aufgabe einer Stiftung
Medientest ergibt sich aus den Analysen im zweiten und dritten Teil.
Sie muss
- Publikumsinteressen im Sinne des
Verbraucherschutzes herausfinden und bündeln
- handlungsrelevantes Wissen und Informationen
ermitteln, verbreiten und
in der Öffentlichkeit vertreten
- über unmittelbaren Verbraucherschutz und
–beratung die Medienkompetenz des Publikums erhöhen.
- bestehende Institutionen miteinander vernetzen.
Aus diesen Überlegungen leitet Krotz
folgende Funktionen und Aufgabenfelder ab, deren Bedarf zugleich
bewertet werden soll:
[18]
Verbraucherberatung:
Es geht um die Vermittlung von
Orientierungswissen über TV-Angebote auf verschiedenen
Kanälen, Internetprovider, Internetangebote,
Abonnementskonditionen von Pay-TV-Sendern im Vergleich. Die Stiftung
Medientest soll zugleich auch empirisch versuchen,
Verbrauchertypen und Bedarfe zu identifizieren. Das müsste
sie ohnehin, um Beurteilungskriterien von medialen Angeboten zu
validieren.
Bewertung:Für
die Vermittlung von Orientierungswissen gibt es sicher einen nicht
gedeckten Bedarf. Solange es um die Evaluierung finanzieller und
technischer Konditionen geht, erscheint die Generierung eines solchen
Wissens relativ problemlos. Schwierig wird die Systematisierung von
Verbrauchertypen und die Ableitung von Beurteilungskriterien, die
über objektive technische und rechtliche Daten hinausgehen. Dabei
befindet sich die Stiftung genauso in der Klemme wie der Staat. Die
kontinuierliche und unabhängige Erfassung spezifischer
Verbraucherinteressen ist personal-, zeit- und kostenintensiv. Sie ist
auch inhaltlich schwierig, weil Werturteile über die
Klassifizierung
von Verbraucherinteressen mit Blick auf unterschiedliche Angebote
gefällt werden müssen. Letztlich kommt man auch um eine
Operationalisierung „gesellschaftlich
relevanter Angebote“ nicht umhin. Hier sollte die Stiftung allen oben
genannten
Institutionen eine Plattform bieten, um gemeinsam über die
Fortentwicklung
bestehender Kriterien oder Kodizes nachzudenken.
Ombudsmannfunktion:Die
Stiftung muss Ansprechpartner für die Vielfalt der Nutzer und
Nutzergruppen sein. Sie muss ihre Anregungen zu
den Medienangeboten aufnehmen, Beschwerden aufgreifen und
öffentliche Diskussion darüber in Gang setzen und als
Lobbyist der Medienkonsumenten agieren.
Bewertung:
Bisher gibt es keine Institution, die die Vielfalt gesellschaftlicher
Interessen bündelt und für Verbraucher- und Datenschutz
eintritt. Daher ist die Aufgabe ebenso wichtig wie ambitioniert. Die
Stiftung muss öffentliche Akzeptanz bzw. Glaubwürdigkeit
finden, damit sie als Kommunikationsmedium vom Publikum
angesprochen wird. Die Vertreter der Stiftung müssen so
anerkannt sein, dass sie Meinungsführerschaft in der
öffentlichen Diskussion übernehmen können. Zugleich
wird in diesem Bereich die Probe aufs Exempel erfolgen, wie sehr das
Publikum bzw. die Rezipienten bereit sind, sich Medienkompetenz
anzueignen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten über die
Stiftung wahrzunehmen. Denn die Repräsentation von Interessen muss
durch das Publikum selbst in eine aktive Mitwirkungsfunktion verwandelt
werden, sonst kann die Stiftung die Ombudsrolle nicht ausfüllen.
Um
Jarrens Titel zu variieren: Wollen „Schwache“ Stärke erlangen?
Test- und Archivfunktion:
Kontinuierliche Aufzeichnung,
Archivierung und Analyse der in Deutschland ausgestrahlten
Fernsehsendungen
sowie weiterer öffentlich zugänglicher Angebote. Damit
werden
die Voraussetzungen für Medienuntersuchungen geschaffen, die
sowohl
die Wissenschaft als auch publizistische Medienkritik befruchten.
Bewertung:
Durch eine solche Funktion würde eine wichtige
Archivierungslücke geschlossen, die derzeit auch von der
Wissenschaft nicht wahrgenommen wird. Wiederum gilt, dass ein solches
Vorhaben zeit-, personal- und kostenintensiv ist. Hier müssen
Kooperationen mit Wissenschaftsinstituten angedacht werden.
Informationsfunktion:Über
die Ergebnisse von Medienuntersuchungen muss zeitnah, kontinuierlich
und sachgerecht berichtet werden. Dafür ist zentrale
Voraussetzung, ein von Verbandsinteressen unabhängiges
Publikationsorgan
zu schaffen, da Print- und audiovisuelle Medien mittlerweile eng
verflochten
sind.
Bewertung:Damit
würde die Selbstbeschränkung der jetzigen Akteure im Hinblick
auf die Herstellung von Öffentlichkeit aufgeweicht. Denn im Zuge
der Etablierung eines privaten Medienmarktes erfolgen Medienanalyse und
– kritik zunehmend im Auftrag und auf Bestellung.
[19] Die eigentliche
Herausforderung wird es sein, gegen Wirtschaftsinteressen und eine
machtvolle Wirtschaftslobby ein funktionsfähiges unabhängiges
Publikationsorgan zu etablieren.
Forumsfunktion:Die
Stiftung muss Plattform und Dienstleister für alle
Einrichtungen und Organisationen sein, die sich mit dem Thema
beschäftigen.
Bewertung:Da
Medienpolitik ein anhaltender Kommunikationsprozess aller relevanten
Akteure ist, kann die Stiftung zur zentralen Anlaufstelle eines
umfassenden Netzwerkes von Anbietern, Journalisten, Publikum und
Wissenschaft werden. Diese Funktion ist vergleichsweise einfach
und unkompliziert auszufüllen.
5. Hat eine Stiftung Medientest Zukunft? Der Versuch einer
Bestandsaufnahme.
Aktuelle medienpolitische Entwicklungen
sprächen für die Einrichtung einer Stiftung Medientest.
Nähme sie die oben skizzierten Aufgaben wirkungsvoll wahr,
wäre sie eine sachgerechte Antwort auf strukturelle Probleme der
aktuellen Medienlandschaft: Stiftung Medientest würde sich
qualitätsfördernd auf Medienangebote auswirken und dazu
beitragen, dass sich die Wirtschaft stärker als bisher an
gesellschaftliche Normen anpasst. Sie würde zu einer
gesellschaftlich und politisch akzeptierten Plattform werden, die
bestehende Formen der Selbstregulierung integriert und durch
Publikumsinteressen bereichert.
Aus demokratietheoretischer Perspektive
wäre es spannend zu verfolgen, wie pluralistische Interessen
angemessen in die Arbeit einer Stiftung einbezogen werden
können und wie das Publikum zu einer Mitwirkung animiert werden
kann. Offen ist, ob der Staat eine solche Form der Selbstregulierung
auch unterstützt. Zum einen wäre das Eingeständnis des
Staates zu geben, dass öffentlich-rechtliche Kontrolle alleine
nicht mehr funktioniert und in Selbstregulierung umfunktioniert werden
muss. Zum anderen müsste sich der Staat mit erheblichen
Widerständen bestehender Lobbygruppen auseinandersetzen,
während die Anregungen für eine Stiftung Medientest
wahrscheinlich aus der Wissenschaft, Politik oder
bürgerschaftlich engagierten Gruppen kommen.
Das Contra bezieht sich in erster Linie auf
die Umsetzung der genannten Funktionen. Verbraucherberatung und
Verbraucherschutz einer öffentlichen Einrichtung haben ihre
Grenzen dort, wo die Privaten selbst für Transparenz sorgen
werden. Wichtig ist es eher politisch diese Transparenz einzufordern.
Schließlich geben organisatorische und
finanzielle Ausstattung Grenzen vor.
[20]
Bezogen auf die Eingangsfrage bleibt
festzustellen: Die Medienstiftung hätte das Potenzial,
gesellschaftliche Gruppen angemessen an medienpolitischen Diskussionen
zu beteiligen und einen pluralistischen Kommunikationsprozess
institutionell abzusichern.
Literaturverzeichnis:
Jarren, Otfried
(1994): Medien- und Kommunikationspolitik in Deutschland. Eine
Einführung anhand ausgewählter Problembereiche. In: Otfried
Jarren (Hrsg.): Medien und Journalismus 1. Fachwissen für
Journalisten, Berlin, S. 108 – 143.
Jarren, Otfried
(1997): Macht und Ohnmacht der Medienkritik oder: Können Schwache
Stärker erlangen? Medienkritik und medienpolitische
Kommunikation als Netzwerk. In: Weßler, Hartmut/Matzen
Christiane/Jarren, Otfried/Hasebrink, Uwe (Hg.): Perspektiven der
Medienkritik, Opladen, S. 307-328.
Jarren, Otfried
(1999): Medienregulierung in der Informationsgesellschaft? Über
die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der zukünftigen
Medienordnung. In: Publizistik, 44. Jg.,
S. 149 – 164.
Krotz, Friedrich
(1996): Zur Konzeption einer Stiftung Medientest. In: Rundfunk und
Fernsehen, 44. Jg., S. 214-229.
Krotz, Friedrich (1997): Verbraucherkompetenz und Medienkompetenz. Die
„Stiftung Medientest“ als Antwort auf strukturelle Probleme der
Medienentwicklung. In: Weßler, Hartmut/Matzen Christiane/Jarren,
Otfried/Hasebrink, Uwe (Hg.): Perspektiven der Medienkritik, Opladen,
S. 251-263.