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Stiftung Medientest – Wirksames Instrument zur gesellschaftlichen Selbststeuerung der Medienpolitik?Stiftung Medientest – Wirksames Instrument zur gesellschaftlichen Selbststeuerung der Medienpolitik?


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Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung
1. Strukturprobleme der Medienentwicklung
2. Ziele einer Stiftung Medien: Medienkompetenz und
Selbstregulierung als Maßstab
3. Die Rolle der Stiftung für die Medienbeobachtung und
Medienregulierung“
4. Aufgabenfelder und Bedarfsanalyse
5. Hat eine Stiftung Medientest Zukunft?
Der Versuch einer Bestandsaufnahme
6. Literaturverzeichnis





Einleitung

Medienregulierung bewegt sich zwischen staatlicher Kontrolle im Rundfunk und Formen der Selbstregulierung bei den Printmedien sowie in Ansätzen bei den Multimediadiensten. Die Analyse der einzelnen Regulierungssysteme in der ersten Teilarbeit ergab als Fazit: Es müssen in Zukunft verstärkt Mischmo­delle installiert werden. Gerade bei der innovativen Gestaltung der Medien­landschaft muss man verstärkt auf Instrumente der Selbstkontrolle setzen, an denen sich alle gesellschaftliche Gruppen beteiligen und nicht nur wie bisher alleine die Anbieter.

Die politisch-rechtliche Steuerung ist erforderlich, wo der Markt versagt bzw. ein öffentliches Angebot politisch gewollt ist. [1]
Bejaht man diese Ausgangsthese, dann heißt die Leitfrage dieser Arbeit: Kann eine Stiftung Medientest gesellschaftliche Gruppen angemessen an medienpolitischen Diskussionen beteiligen und einen dauerhaften, pluralisti­schen Kommunikationsprozess institutionell absichern?

Zum Vorgehen:

Im ersten Teil werden die Strukturprobleme der Medienentwicklung skizziert.

Im zweiten Teil die Ziele einer Stiftung Medientest aus dem Anspruch der Selbstregulierung und Medienkompetenz abgeleitet. Der Stellenwert einer Stiftung Medientest im Rahmen des Netzwerks bestehender Institutionen ist Gegenstand des dritten Teils der Arbeit. Mögliche Aufgabenfelder und Bedarfe einer Stiftung Medientest werden im vierten Teil der Arbeit diskutiert. Abschließend soll auf der Grundlage der erarbeiteten Positionen die Perspektiven einer solchen Stiftung eingeschätzt werden.

1. Strukturprobleme der Medienentwicklung
Die deutsche Medienlandschaft unterliegt einem immer rasanter verlaufen­den technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel, der auch die überkommene Medienpolitik und Medienkontrolle auf den Prüf­stand stellt. Durch die neuen Technologien werden die Übergänge von Printmedien, Rundfunkmedien, von Massen- und Individualkommunikation und Film fließend. Das hat Auswirkungen auf die Angebots- und Nachfrageseite der Multimediamärkte und beeinflusst gesellschaftliche und politische Kommuni­kationsprozesse ganz unmittelbar.
Die wirtschaftlichen Verflechtungen auf der Anbieterseite wirken sich auf das Medienangebot aus. Neben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote traten seit den 80er Jahren vielfältige private Angebote, die den Übergang von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt einleiteten. Im Zuge der In­ternationalisierung von Medien­produkten und den "Viel-Kanalbedingungen" etablierte sich neben dem "Kulturgut - Publizistik" verstärkt das Wirtschafts­gut, das sich aufgrund technischer ökonomischer Veränderungen in einem rasanten Wandel vom Massenmedium zum Spezial- und Zielgruppenme­dium befindet. [2]
Aus der Sicht der Nachfrager ist Fernsehen oder der Umgang mit digitalen Medien Teil des Alltagshandelns geworden. Die Menschen werden unmittel­bar als Konsumenten bzw. Verbraucher angesprochen, die anspruchsvolle Entscheidungen über die Auswahl vielfältigster Multimediaangebote treffen müssen (z.B. Fernsehangebot incl. Pay-TV; Online-Käufe oder Online-Dienstleitungen). Fernsehen ist heute als individuelle Tätigkeit eine Form des individuellen und nicht länger Massenkonsums, der spezifische Informations-, Unterhaltungs-, kulturelle oder politische Bedarfe befriedigen soll. Digitales Fern­sehen und Online-Dienste mit vielfältigsten Rezeptions- und Interaktionsfor­men verlangen zudem immer mehr Kompetenzen von ihren Nutzern.
Durch die zu­nehmende kommerzielle Ausrichtung des entstehenden inter­nationalen Me­diensystems bilden sich neue Informations- und Kommunika­tionsstrukturen heraus. Bisher bestimmten Akteure aus dem politisch-admi­nistrativen System, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Vertreter der Verlags- und Werbewirtschaft sowie Non-Profit-Organizations die me­dienpolitische Entwicklung. Im Zuge der Privatisierung treten neue politische und kommer­zielle Einzelakteure und Verbände mit entsprechenden Lobby­ressourcen hinzu. Die Konzentration und zunehmende internationale Ver­flechtung der Medienangebote führt zu einer entsprechenden Vermachtung der Märkte. Die Entwicklung geht vom öffentlich-rechtlichen Monopol zum privat-rechtli­chen Oligopol.
Die Entstehung neuer Medientypen und der Strukturwandel haben vielfältige qualitative Folgen für die gesellschaftliche Kommunikationspraxis und Medienpolitik:

Entsprechend müssen Rezipienten, Publikum oder Verbraucher als Nutzer mit ihren jeweils spezifischen Zielen und Bedürfnissen aktiv in den Prozess der Medienregulierung einbezogen werden, um einer Vermachtung der Medienpolitik aus demokratietheoretischen Überlegungen entgegenzuwir­ken. [6] Das ist umso entscheidender als nur über eine medienkritische Öffent­lichkeit staatliche Intervention initiiert werden kann, die dann zu Selbstregu­lierung oder gesetzlichen Regelungen führt. [7] Erforderlich sind also Misch­systeme aus staatlicher Steuerung und Selbstregulierung. Es bedarf eines bewusst gestalteten Übergangs von traditionellen hierarchischer Machtaus­übung und Steuerung hin zu horizontal angelegten Verhandlungssystemen mit zahlrei­chen Akteuren und neuen Organisationen [8]
2. Ziele einer Stiftung Medien: Medienkompetenz und Selbstregulierung
als Maßstab
Mit den vorangegangenen Überlegungen sind zugleich auch die Ziele einer Stiftung Medientest skizziert: Sie muss innerhalb eines staatlich gesetzten Rahmens Selbstregulierung und Selbstverantwortung ermöglichen und dabei bestimmten Leitideen und Steuerungskonzepte genügen, die nachfolgend dargestellt werden. Sie muss dazu beitragen, dass die Verbraucher über die audiovisuellen Medien und über ihre Angebote in der Informationsgesellschaft kompetent entscheiden können, sie muss also Medienkompetenz vermitteln.
Um die Übernahme von Selbstverantwortung der beteiligten Akteure indivi­duell und korporativ dauerhaft durchzusetzen, muss ein gesellschaftlich akzeptierter Rahmen für eine „regulierte Selbstregulierung“ geschaffen werden. Leitideen und Steuerungskonzepte der Selbstregulierung müssen in einer sich rasant wandelnden und vielfältigen Medienlandschaft folgende Ansprüche erfüllen: [9]
Die Ausstattung mit Medienkompetenz muss ein zentrales Aufgabenfeld der Stiftung Medientest sein. Medienkompetenz lässt sich ganz allgemein als die Fähigkeit, selbstbestimmt mit Medien umzugehen, definieren. [11] Sie ist als ein komplexes Konzept zu verstehen, dass viele einzelne Fähigkeiten umfasst: das Vermögen, sich unterschiedliche Techniken zu beschaffen und nutzbar zu machen sowie Angebote und Programme wohl informiert auszu­wählen und zu beurteilen. Dabei steht nicht in erster Linie die Beziehung des Individuums zu einem bestimmten Gerät im Vordergrund. Medienkompetenz heißt immer auch die Verflechtung von Medien und Alltag und das Zusam­menspiel von Medien, Politik, Gesellschaft und Ökonomie zu verstehen. Um ein Medium kompetent nutzen zu können und um medienpolitische Entscheidungen beurteilen zu können, bedarf es praktischen Wissens über die gesellschaftliche und ökonomische Verfasstheit des Mediums. [12]
Medien­kompetenz ist neben politischer Kompetenz immer auch Verbraucher­beratung und Verbraucherschutz. [13] Verbraucherberatung im Umgang mit neuen Medien etwa beim Pay- TV, Digitalboxes, Teleshopping, etc. ist notwendig, da Rechtsnormen und Regressansprüche etc. für den Konsumenten nicht zwingend transparent und verständlich sind. Verbrau­cherberatung kann sich auch auf sachlich gerichtete Informationsangebote, die früher Beratungssendungen im Fern­sehen vermittelten, beziehen. Verbraucherschutz ist ein weiteres wichtiges Feld. Die Gewährleistung von Datenschutz ist eine zentrale Aufgabe, die sich aus dem Recht auf informa­tionelle Selbstbestimmung ergibt. Sie obliegt von Verfassung wegen dem Staat. Da es aber keine handlungsstarke Lobby für die Verbraucherinteres­sen gibt, besteht immer die Gefahr, dass die Poli­tik zu weitgehend auf Inter­essen der Wirtschaft eingeht. Auch die Transpa­renz von Preisen, Kosten und Garantieleistungen der Inanspruchnahme verschiedener Telekommuni­kationsdienste könnte Gegenstand des Verbraucherschutzes sein. [14]
3. Die Rolle der Stiftung für die Medienbeobachtung und – regulierung
Eine Stiftung Medientest muss sich als Teil eines Netzwerkes von gesell­schaftlichen Akteuren und Marktakteuren verstehen, die in erster Linie auf Selbstregulierung von Multimedia setzen.
Wie im ersten Teil der Arbeit gezeigt wurde [15] etablierten sich in den letzten Jahren neue Formen der Selbstkontrolle im Rundfunkbereich: Die „Freiwil­lige Selbstkontrolle des Fernsehens“ (FSF) und die „Freiwillige Selbstkon­trolle – Multimedia – Diensteanbieter“ (FSM). Die FSF richtet sich mit dem Anspruch des Jugendschutzes im Fernsehen explizit an einen Teil der Öf­fentlichkeit. Über Tagungen, Projekte und Informationsveranstaltungen soll der Diskurs über das Fernsehangebot gefördert werden, allerdings bleiben die Aktivitäten nur auf den Missbrauchsfall beschränkt. FSM will einerseits die Rechte der Dienstanbieter steigern, andererseits schutzwürdige Interes­sen der Nutzer achten. Noch kann nicht klar gesagt werden, inwieweit die FSM nicht nur Anwalt der eigenen Mitglieder, sondern auch der Allgemeinheit wird. Da die privaten Interessen der Diensteanbieter nicht zwingend über­einstimmen mit den Interessen gesellschaftlicher Gruppen, bleibt hier unab­hängig vom Erfolg der FSM Aktionsraum für eine Stiftung Medientest. Verbraucherschutz und Verbraucherberatung werden sicher nicht zur ersten Aufgabe der FSM. Daher müsste eine Stiftung Medientest sowohl FSF wie auch FSM gut ergänzen, wenn sie sich nicht nur auf den Missbrauchsfall beschränkt, sondern auf vorausschauende Gestaltung und Bewertung von Medienangebo­ten gerichtet ist und über Verbraucherschutz und Verbraucherberatung die Anliegen der Allgemeinheit weitergehend vertritt.
Zugleich ist zu berücksichtigen, dass sich der medienpolitische Einfluss relevanter Interessengruppen von den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihren Non-profit-Organization hin zu kommerziellen Einzelakteuren und Ver­bänden vollzogen hat. Zum Teil geht die Politik Koalitionen mit Medienunter­nehmen ein. Traditionelle Akteure verlieren an Macht und neue, wirtschaft­lich potente Akteure bilden neue strategische Allianzen mit der Politik. Hier kann eine Stiftung Medientest zu einer gesellschaftlichen Kraft werden, die als Gegenwicht zu wirtschaftlichen Interessen die Interessen des Publikums in der Medienpolitik wahrnehmen und so Teile der Politik und Parteien zu ih­ren Verbündeten macht. Bisher wurden die Interessen des Publikums mehr schlecht als recht treuhänderisch durch Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen beim Rundfunk wahrgenommen. Da diese Kontrolle in der neuen Medienlandschaft nur unzureichend greift, würde durch eine solche Stiftung als Plattform vielfältiger Verbraucherinteressen eine echte Lücke der Inter­essenvertretung schließen und für Markttransparenz sorgen. Das Publikum würde in seiner Hete­rogenität mit Hilfe der Stiftung gegenüber Lobbyisten, Verbänden strategiefähig. [16]
Zu den relevanten Akteuren gehört außerdem die medienbezogene Wis­senschaft. Derzeit fehlt es hier an der Bereitschaft zur Förderung dauerhaft angelegter Einrichtungen und interdisziplinär ausgerichteter Grundlagenfor­schung. [17] Der Medienjournalismus und die Medienkritik sind häufig als eigene Profession für das Publikum nicht erkennbar. Eine Stiftung Medientest kann durch die Vernetzung mit Wissenschaft und Medienkritik seine eigene Rolle aufwerten und umgekehrt auch Wissenschaft und Medienjournalismus zu mehr Öffentlichkeit und Bedeutung verhelfen.
4. Die Aufgabenfelder und Bedarfsanalyse
Die grundlegende Aufgabe einer Stiftung Medientest ergibt sich aus den Analysen im zweiten und dritten Teil. Sie muss
Aus diesen Überlegungen leitet Krotz folgende Funktionen und Aufgabenfel­der ab, deren Bedarf zugleich bewertet werden soll: [18]
Verbraucherberatung:

Es geht um die Vermittlung von Orientierungswissen über TV-Angebote auf verschiedenen Kanälen, Internetprovider, Inter­netangebote, Abonnementskonditionen von Pay-TV-Sendern im Vergleich. Die Stiftung Medientest soll zugleich auch empirisch versuchen, Verbrau­chertypen und Bedarfe zu identifizieren. Das müsste sie ohnehin, um Beur­teilungskriterien von medialen Angeboten zu validieren.

Bewertung:Für die Vermittlung von Orientierungswissen gibt es sicher einen nicht gedeckten Bedarf. Solange es um die Evaluierung finanzieller und technischer Konditionen geht, erscheint die Generierung eines solchen Wissens relativ problemlos. Schwierig wird die Systematisierung von Verbrauchertypen und die Ableitung von Beurteilungskriterien, die über objektive technische und rechtliche Daten hinausgehen. Dabei befindet sich die Stiftung genauso in der Klemme wie der Staat. Die kontinuierliche und unabhängige Erfassung spezifischer Verbraucherinteressen ist personal-, zeit- und kostenintensiv. Sie ist auch inhaltlich schwierig, weil Werturteile über die Klassifizierung von Verbraucherinteressen mit Blick auf unter­schiedliche Angebote gefällt werden müssen. Letztlich kommt man auch um eine Operationalisierung „gesellschaftlich relevanter Angebote“ nicht umhin. Hier sollte die Stiftung allen oben genannten Institutionen eine Plattform bieten, um gemeinsam über die Fortentwicklung bestehender Kriterien oder Kodizes nachzudenken.

Ombudsmannfunktion:Die Stiftung muss Ansprechpartner für die Vielfalt der Nutzer und Nutzergruppen sein. Sie muss ihre Anregungen zu den Medienangeboten aufnehmen, Beschwerden aufgreifen und öffentliche Dis­kussion darüber in Gang setzen und als Lobbyist der Medienkonsumenten agieren.

Bewertung: Bisher gibt es keine Institution, die die Vielfalt gesellschaftlicher Interessen bündelt und für Verbraucher- und Datenschutz eintritt. Daher ist die Aufgabe ebenso wichtig wie ambitioniert. Die Stiftung muss öffentliche Akzeptanz bzw. Glaubwürdigkeit finden, damit sie als Kommunikationsme­dium vom Publikum angesprochen wird. Die Vertreter der Stiftung müssen so anerkannt sein, dass sie Meinungsführerschaft in der öffentlichen Diskus­sion übernehmen können. Zugleich wird in diesem Bereich die Probe aufs Exempel erfolgen, wie sehr das Publikum bzw. die Rezipienten bereit sind, sich Medienkompetenz anzueignen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten über die Stiftung wahrzunehmen. Denn die Repräsentation von Interessen muss durch das Publikum selbst in eine aktive Mitwirkungsfunktion verwandelt werden, sonst kann die Stiftung die Ombudsrolle nicht ausfüllen. Um Jarrens Titel zu variieren: Wollen „Schwache“ Stärke erlangen?

Test- und Archivfunktion: Kontinuierliche Aufzeichnung, Archivierung und Analyse der in Deutschland ausgestrahlten Fernsehsendungen sowie weite­rer öffentlich zugänglicher Angebote. Damit werden die Voraussetzungen für Medienuntersuchungen geschaffen, die sowohl die Wissenschaft als auch publizistische Medienkritik befruchten.

Bewertung: Durch eine solche Funktion würde eine wichtige Archivierungslücke geschlossen, die derzeit auch von der Wissenschaft nicht wahrgenommen wird. Wiederum gilt, dass ein solches Vorhaben zeit-, personal- und kostenintensiv ist. Hier müssen Kooperationen mit Wissenschaftsinsti­tuten angedacht werden.

Informationsfunktion:Über die Ergebnisse von Medienuntersuchungen muss zeitnah, kontinuierlich und sachgerecht berichtet werden. Dafür ist zentrale Voraussetzung, ein von Verbandsinteressen unabhängiges Publi­kationsorgan zu schaffen, da Print- und audiovisuelle Medien mittlerweile eng verflochten sind.
Bewertung:Damit würde die Selbstbeschränkung der jetzigen Akteure im Hinblick auf die Herstellung von Öffentlichkeit aufgeweicht. Denn im Zuge der Etablierung eines privaten Medienmarktes erfolgen Medienanalyse und – kritik zunehmend im Auftrag und auf Bestellung. [19] Die eigentliche Heraus­forderung wird es sein, gegen Wirtschaftsinteressen und eine machtvolle Wirtschaftslobby ein funktionsfähiges unabhängiges Publikationsorgan zu etablieren.
Forumsfunktion:Die Stiftung muss Plattform und Dienstleister für alle Ein­richtungen und Organisationen sein, die sich mit dem Thema beschäftigen.
Bewertung:Da Medienpolitik ein anhaltender Kommunikationsprozess aller relevanten Akteure ist, kann die Stiftung zur zentralen Anlaufstelle eines umfassenden Netzwerkes von Anbietern, Journalisten, Publikum und Wis­senschaft werden. Diese Funktion ist vergleichsweise einfach und unkompliziert auszufüllen.

5. Hat eine Stiftung Medientest Zukunft? Der Versuch einer
Bestandsaufnahme.
Aktuelle medienpolitische Entwicklungen sprächen für die Einrichtung einer Stiftung Medientest. Nähme sie die oben skizzierten Aufgaben wirkungsvoll wahr, wäre sie eine sachgerechte Antwort auf strukturelle Probleme der aktuellen Medienlandschaft: Stiftung Medientest würde sich qualitätsför­dernd auf Medienangebote auswirken und dazu beitragen, dass sich die Wirt­schaft stärker als bisher an gesellschaftliche Normen anpasst. Sie würde zu einer gesellschaftlich und politisch akzeptierten Plattform werden, die beste­hende Formen der Selbstregulierung integriert und durch Publikumsinteres­sen bereichert.
Aus demokratietheoretischer Perspektive wäre es spannend zu verfolgen, wie pluralistische Interessen angemessen in die Arbeit einer Stiftung einbe­zogen werden können und wie das Publikum zu einer Mitwirkung animiert werden kann. Offen ist, ob der Staat eine solche Form der Selbstregulierung auch unterstützt. Zum einen wäre das Eingeständnis des Staates zu geben, dass öffentlich-rechtliche Kontrolle alleine nicht mehr funktioniert und in Selbstregulierung umfunktioniert werden muss. Zum anderen müsste sich der Staat mit erheblichen Widerständen bestehender Lobbygruppen ausein­andersetzen, während die Anregungen für eine Stiftung Medientest wahr­scheinlich aus der Wissenschaft, Politik oder bürgerschaftlich engagierten Gruppen kommen.
Das Contra bezieht sich in erster Linie auf die Umsetzung der genannten Funktionen. Verbraucherberatung und Verbraucherschutz einer öffentlichen Einrichtung haben ihre Grenzen dort, wo die Privaten selbst für Transparenz sorgen werden. Wichtig ist es eher politisch diese Transparenz einzufordern.
Schließlich geben organisatorische und finanzielle Ausstattung Grenzen vor. [20]
Bezogen auf die Eingangsfrage bleibt festzustellen: Die Medienstiftung hätte das Potenzial, gesellschaftliche Gruppen angemessen an medienpolitischen Diskussionen zu beteiligen und einen pluralistischen Kommunikationspro­zess institutionell abzusichern.


Literaturverzeichnis:

Jarren, Otfried (1994): Medien- und Kommunikationspolitik in Deutschland. Eine Einführung anhand ausgewählter Problembereiche. In: Otfried Jarren (Hrsg.): Medien und Journalismus 1. Fachwissen für Journalisten, Berlin, S. 108 – 143.

Jarren, Otfried (1997): Macht und Ohnmacht der Medienkritik oder: Können Schwache Stärker erlangen? Medienkritik und medienpolitische Kommuni­kation als Netzwerk. In: Weßler, Hartmut/Matzen Christiane/Jarren, Ot­fried/Hasebrink, Uwe (Hg.): Perspektiven der Medienkritik, Opladen, S. 307-328.

Jarren, Otfried (1999): Medienregulierung in der Informationsgesellschaft? Über die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der zukünftigen Medienordnung. In: Publizistik, 44. Jg.,

S. 149 – 164.
Krotz, Friedrich (1996): Zur Konzeption einer Stiftung Medientest. In: Rund­funk und Fernsehen, 44. Jg., S. 214-229.

Krotz, Friedrich (1997): Verbraucherkompetenz und Medienkompetenz. Die „Stiftung Medientest“ als Antwort auf strukturelle Probleme der Medienentwicklung. In: Weßler, Hartmut/Matzen Christiane/Jarren, Otfried/Hasebrink, Uwe (Hg.): Perspektiven der Medienkritik, Opladen, S. 251-263.



[1] vgl. Nodehi, Medienregulierung, S. 10f
[2] vgl. Jarren, 1999, 150ff.
[3] vgl. Jarren, 1997, S. 308.
[4] vgl. Nodehi, Medienregulierung, S. 6.
[5] vgl. Jarren, 1997, S. 309.
[6] vg. Jarren, 1997, S. 318.
[7] vgl. Jarren, 1997, S. 315.
[8] vgl. Jarren, 1997, S. 319.
[9] vgl. Jarren, 1997, S. 311.
[10] vgl. Arbeit Teil 1.
[11] vgl. Krotz, 1997, S. 253.
[12] Jüngstes Beispiel ist der Streit zwischen der Kirch Gruppe und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, über die Übertragungsrechte der kommenden Fußball-Weltmeisterschaften. Der Fußballfan und der Gebührenzahler muss den neuen Kontext einer solchen Entscheidung kennen, dass das Nebeneinander privater und öffentlich-rechtlicher Sender ein anderer ist als vor zehn Jahren und eventuell zu einer neuen Einschätzung der Frage führt: Ist der Fußball ein Dienstleistungsangebot, das auch Private erbringen können oder ein „Kulturgut“, das die öffentlich-rechtlichen Sender Sendeanspruch erheben können. Ist der Fußballfan als souveräner Konsument privater Angebote zu verstehen oder als gesellschaftlicher Stammgast bei den öffentlich-rechtlichen besonders schützenswert?
[13] vgl. Krotz, 1997, S. 254, 259.
[14] vgl. Krotz, 1997, S. 256ff.
[15] vgl. Nodehi, 2000, S. 9f.
[16] vgl. Jarren, 1997, S. 321.
[17] vgl. Jarren, 1997; S. 323f.
[18] vgl. Krotz, 1996, S. ; Krotz, 1997, S. 258ff.
[19] vgl. Jarren, 1997, S. 314.
[20] Eine eingehende Analyse dieser Frage würde allerdings in diesem Rahmen
zu weit führen.